Künstler:innen aus dem Bestand des Zentrums für Kunstausstellungen der DDR

Arno Mohr, Die Brille, Radierung, 1961 © ifa, Reproduktion: die arge lola

„An erster Stelle müssen jedoch die bildenden Künstler unseres Landes und ihr Verband genannt werden. Ohne ihre künstlerische Arbeit, ihre aktive Unterstützung und die Mitarbeit bei der Vorbereitung und Durchführung der Vorhaben ist die Arbeit des Zentrums für Kunstausstellungen nicht vorstellbar.“

  • Polak, Wolfgang. „15 Jahre Zentrum für Kunstausstellungen der DDR – Bilanz und Ausblick“, Mitteilungen 9, herausgegeben vom Zentrum für Kunstausstellungen der DDR – Bereich Öffentlichkeitsarbeit, Ost-Berlin 1988, S. 4.

Die umfangreiche grafische Sammlung des Zentrums für Kunstausstellungen der DDR (ZfK) beinhaltet rund 10.000 Arbeiten. Dabei handelt es sich um Arbeiten auf Papier wie Aquarelle, Tusche- oder Handzeichnungen, Druckgrafiken in Form von Lithografien oder Radierungen sowie Kleinplastiken, Mappen und Künstler:innenbücher.

1973 als eigenständige Organisation durch das Ministerium für Kultur der DDR gegründet, beschäftigte das ZfK rund 80 Mitarbeiter:innen in den Abteilungen Bildende Kunst, Kunsthandwerk, Plakatkunst und Bühnenbild. Zentrale Aufgabe des Zentrums war es, Ausstellungen im In- und Ausland zu organisieren. Für die Entwicklung und Umsetzung der Projekte, die nicht nur in sozialistischen "Bruderländern", sondern auch im "westlichen Ausland" gezeigt wurden, arbeitete das ZfK eng mit dem Verband Bildender Künstler (VBK) der DDR zusammen.

Sieben der hier präsentierten Positionen – Lea Grundig, HAP Grieshaber, Doris Kahane, Robert Rehfeldt, Herta Günther, Rolf Händler und Angela Hampel – sind durch Reproduktionen, die im Rahmen sukzessiver Digitalisierung des Bestands entstanden sind, 2024 erstmals wieder sichtbar und zugänglich.

Lea Grundig: überzeugt kommunistisch
*1906 in Dresden, †1977 an Bord der MS Völkerfreundschaft auf dem Mittelmeer

Lea Grundig, geb. Langer, gehörte als verfolgte Kommunistin und überzeugte Antifaschistin zu den Vorzeigekünstlerinnen der DDR. Ähnlich wie bei Käthe Kollwitz (1867–1945) ist ihre Bildsprache eindringlich und direkt, sie arbeitet vornehmlich grafisch. 1906 in einer jüdischen Familie in Dresden geboren, trat sie 1926 der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bei. Zusammen mit ihrem Mann Hans Grundig und anderen gründete sie die Dresdener Ortsgruppe der Assoziation Revolutionärer Bildender Künstler Deutschlands (ASSO). Nach zwei Verhaftungen entkam sie 1939 der NS-Deportation, 1940 gelang ihr die Flucht nach Palästina, wo sie von 1940 bis 1948 lebte. Nachdem sie erfahren hatte, dass ihr Mann Hans die Internierungen in den NS-Lagern überlebt hatte, kehrte sie über Prag nach Dresden zurück. Noch im selben Jahr erhielt sie eine Dozentur und wird 1951Professsorin an der Hochschule für Bildende Künste Dresden.

HAP Grieshaber: produktiver Grenzgänger
*1909 in Rot an der Rot, †1981 Eningen unter Achalm

Helmut Andreas Paul Grieshaber, genannt HAP Grieshaber, war ein politisch engagierter Künstler, der sein künstlerisches Zentrum auf der Achalm bei Reutlingen ab den 1950er Jahren etablierte. Von dort aus agierte er in mehreren Rollen: als Schriftsteller, Kunstvermittler, Lehrer, Ausstellungsmacher und Designer und avancierte schnell zum engagierten Grenzüberschreiter.

Sein Weg in die Kunst begann mit einer Schriftsetzerlehre Anfang der 1920er Jahre, parallel besuchte er die Kunstgewerbeschule in Stuttgart. Zur Zeit des Nationalsozialismus drohte ihm die Reichskulturkammer mit Berufsverbot als Grafiker und Maler – 1946 kehrte er aus der US-amerikanischen Kriegsgefangenschaft in Belgien zurück.

HAP Grieshaber, Holzschnitte

Mitteilungen, herausgegeben vom Zentrum für Kunstausstellungen der DDR – Bereich Öffentlichkeitsarbeit, Ost-Berlin 1978.

1978 richtete das ZfK in der Neuen Galerie in Berlin eine umfangreiche Ausstellung mit Holzschnitten von HAP Grieshaber aus, die im Anschluss in der Kunsthalle Rostock und in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zu sehen war. Aus diesem Anlass veröffentlichte das ZfK  eine Sonderausgabe der Mitteilungen, der hauseigenen Informationsbroschüre.

Doris Kahane: Zeitgenossin und Weggefährtin
*1920 in Berlin, †1976 in Ost-Berlin

„Doris Kahane ist seit vielen Jahren aus dem Kunstleben der Deutschen Demokratischen Republik und ihrer Hauptstadt Berlin nicht wegzudenken. Ihre weltanschauliche Grundhaltung und Lebenserfahrung, die sie seit früher Jugend im Widerstand gegen den Faschismus erwarb, ihre Kenntnis vieler Länder, ihr sensibles Kunsturteil und das sehr Persönliche, unmittelbar Empfundene ihrer Arbeiten machen sie zu einer Künstlerin, nach deren Werken man in den Ausstellungen Ausschau hält, zur freundschaftlichen Ratgeberin manches jüngeren Künstlers, zur aufmerksam angehörten Gesprächspartnerin in vielen Diskussionen des Künstlerverbandes.“[1]

Diese lobenden Worte schreibt Peter Feist in einem schmalen Bändchen, herausgegeben vom Zentrum für Kunstausstellungen der DDR aus Anlass einer Ausstellung der Künstlerin in Wien im Jahr 1973.

Helena Scigala: Holzschneiderin
*1921 in Batow (heute: Batowo, Polen), †1998 in Berlin

Die 1921 im polnischen Hinterpommern geborene Helena Scigala wird 1965 in einem Buch über junge bildende Künstler:innen in der DDR als eine von 25 Positionen aufgeführt, die neben Malern wie Walter Womacka oder Bildhauern wie Werner Stötzer die ostdeutsche Nachkriegskunst maßgeblich prägten.[1] Zu dieser Zeit erlebte die Berliner Grafikerin ihre fruchtbarsten Schaffensjahre. Abgesehen von Einzelausstellungen ist Scigala die einzige Frau, die neben 14 männlichen Kollegen das grafische Schaffen der DDR auf der internationalen Leistungsschau IBA Leipzig 1965 repräsentierte.

Robert Rehfeldt: Mail-Art Künstler, Maler und Grafiker
*1931 in Stargard in Pommern (heute: Stargard, Polen), †1993 in Berlin

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Robert Rehfeldt

Herta Günther: Zarte Außenseiter:innen
*1934 in Dresden, †2018 in Dresden

„Mit Vorliebe“, so schreibt der Autor und Kunstkritiker Lothar Lang, schildere Herta Günther „das Volksleben, und zwar das städtisch-sonntägliche, heitere, das Treiben auf einem Boulevard, die Plauderei im Café, den Blick in das Schaufenster.“[1] So steht es in einem schmalen Bändchen zur Künstlerin in der Kunstheftreihe des VEB Dresdens aus dem Jahr 1983. Im selben Band charakterisiert Ingrid Wenzkat die Arbeiten Günthers mit den Stichworten „Sensitivität“ und „Sfumato“, hebt die „feinsten farbigen Gratwanderungen“ hervor und verweist auf das „betont Zuckrige und Laszive“ in ihren Werken, das mit ihrem Faible für Zirkusmanegen, Theatersäle und Gartenlokale – sowie Frauenporträts – zusammenhängen mag.[2]

Horst Bartnig: Komplexe Berechnungen
*1936 in Militsch (heute: Milicz, Polen)

Horst Bartnig, Maler und Computergrafiker in Berlin, zählt zur vitalen und international vernetzten Szene der Konkreten Kunst. Geboren 1936 im schlesischen Militsch, studierte er ab 1954 an der Kunstgewerbeschule Magdeburg Bühnenmalerei. Zunächst war er in Weimar und später in Berlin als Bühnenmaler tätig. In dieser Zeit begleitete er das Deutsche Theatergelegentlich auf Auslandsreisen, bei denen er 1987 erste Begegnungen in Zürich mit den Künstlern Richard Paul Lohse und Max Bill hatte. Bereits 1984 erhielt Horst Bartnig den Preis der 7. Norwegischen Grafikbiennale in Frederikstad, 1993 den Will-Grohmann-Preis der Akademie der Künste Berlin, 2001 den Hannah-Höch-Preis.

Rolf Händler: "Wozu gibt es Sprachen?"
*1938 in Halle an der Saale, †2021 in Berlin

Gemälde und grafische Blätter von Rolf Händler haben in der DDR-Kunstszene ihren festen Platz eingenommen. Die Erweiterung der künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten in der wohl produktivsten Phase der nunmehr dreißigjährigen Kunstgeschichte dieses Landes ließ die Frage nach dem Begriff der Kunst erneut auftreten. Was ist Kunst? So wird gefragt, sogar von Künstlern, wenn es um die verschiedenen Stile geht. Ich denke, die Frage kann durch eine andere Frage ersetzt werden. Wozu gibt es Sprachen? Sie sind unentbehrlich zur Verständigung. Und die Kunst ist ein Verständigungsmittel über Dinge, die sich mit Worten nicht ausdrücken lassen und doch wichtig wie das tägliche Brot sind. Ein Verständigungsmittel über Dinge, die ewig unausgesprochen blieben, wenn es nicht Menschen wie Rolf Händler gäbe, die, kraft eines Talentes, einer nur ihnen innewohnenden Fähigkeit, Empfindungen und Gefühle, Vorstellungen und Eindrücke sinnlich veranschaulichen können.

Erika Stürmer-Alex: Gestische Malerei und Abstract Painting
*1938 in Wriezen, Brandenburg

Stürmer-Alex sprengte schon zu DDR-Zeiten, oft unverstanden und auch im Gegenwind der Kulturpolitik, Gattungshierarchien und Genres, ermutigte so als „alte Wilde“ eine ganze jüngere Generation zum expressiven, emotionalen Ausdruck jenseits aller sozialistisch-realistischen Dogmen. Sie setzte sich mit Farbfeldmalerei, mit gestischer Malerei und Abstract Painting ebenso durch wie mit ihren skurril-witzigen Skulpturen, in denen eine sinnliche und zugleich lustige Seelenverwandtschaft mit den bunten, feministischen Nana-Plastiken der französisch-schweizerischen Bildhauerin Niki de Saint Phalle sichtbar wird.

Hans Ticha: provakant und satirisch
*1940 in Bodenbach (heute: Podmokly, Tschechien)

Von der Stasi beargwöhnt, lebte er gefährlich. Seine bissige Kunst kannten nur Freunde. Verraten hat ihn keiner. Was immer der 1940 geborene Ticha, der an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee bei Kurt Robbel und Arno Mohr studierte, malt, erfasst das Wesentliche: auf provokant-satirische Weise, figurativ und zugleich schablonenhaft abstrahiert. Alles wirkt gnadenlos nah, stilisiert, fast distanziert. Er zählte einer der singulären Pop-Art-Ironiker der DDR, die ihr Zeitgefühl in Bilder packten.

Angela Hampel: expressiv und gestisch
*1956 in Räckelwit, Sachsen

Drei Lithografien des „Penthesilea-Zyklus“ aus den Jahren 1985/86 von Angela Hampel befinden sich im Bestand des ZfK. Sie sind Teil eines Werkkomplexes, der sich auf mythologische Frauenfiguren bezieht und in dessen Mittelpunkt mehrere großformatige expressive Malereien stehen. Auf zwei Zeichnungen wird der Kampf zwischen den Liebenden dargestellt, dabei ist nicht nur das Geschlecht der Personen unklar, auch der Ausdruck schwankt zwischen gewalt- und liebevoll, zwischen festhaltend und abwehrend. Hampel verarbeitet in diesem Werkkomplex unter anderem die Erzählung „Kassandra“ von Christa Wolf, die 1983 erschien. Die Lektüre war für Hampel „eine Art Offenbarung. Es war eine Möglichkeit der Identifizierung, als Frau, als Künstlerin. Es war Ermutigung und Bestätigung.“[1]

Die Seite "Die Künstlerinnen des Zentrums für Kunstausstellungen der DDR" wurde durch ein Kooperationsprojekt mit der Wüstenrot Stiftung ermöglicht. Zusammenstellung: Susanne Weiß (Kuratorin Kunstbestand, ifa) in Zusammenarbeit mit Tina Weingardt (Sammlungsmanagerin, ifa) und Paulinus Burger (wissenschaftliche Hilfskraft, ifa). Lektorat: Karolin Nedelmann, Übersetzung: Moira Barrett.

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Was ist die geteilte Geschichte der Sammlung des ifas?

Künstlerisch-Kuratorische Forschung zum ifa-Kunstbestand

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