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Erwärmend-erhellende Aquarelle eines entwurzelten Weltbürgers
1940 am östlichsten Punkt von Griechenland geboren, erlebt Fotis Zaprasis als Kind den griechischen Bürgerkrieg. Dass er als eines von 28.000 Markos-Kindern 1949 außer Landes in Sicherheit kommt und in der DDR eine Ausbildung erhält, um in ferner Zukunft eine sozialistische Republik Griechenland mit aufbauen zu können, das ist für Fotos Zaprasis Fluch und Segen zugleich.
Das Getrenntsein von Mutter und Familie fern der griechischen Heimat - anfänglich sogar als Heimkind - all das bleibt für Zaprasis ein Kampf, welchen er ab Mitte der 1960er in seiner Kunst sichtbar macht wird. Als „Weltbürger unter Gefangenen entwurzelt worden zu sein“[1], so umschreibt der ostdeutsche Maler später seine Situation, die er vornehmlich in Aquarellen zum Ausdruck bringt. Die Durchsichtigkeit und das Durchscheinende dieser Technik erlauben ihm Lichtblicke und Fenster zu allegorischen Geschichten, zu verblassten Erinnerungen an seine Heimat und zu metaphernreichen Bildern im Bild.
Zaprasis Werke sind gegenständlich, aber tendieren stets zum Poetisch-Surrealistischen, wie bei seinem Vorbild Marc Chagall. Trotz oder gerade wegen der gefühlten Schwere des Lebens im Exil bereichert Zaprasis mit seiner mediterranen Leichtigkeit auf zahlreichen DDR-Gruppen-Ausstellungen sowie den nationalen Kunstausstellungen in Dresden eine Gesellschaft, von deren sozialistischen Zielen er sich Schritt für Schritt distanziert. Schon während seiner Ausbildung zum Chemiefacharbeiter in Leuna, dem größten Industriekomplex der DDR, hat Zaprasis seine fehlende Begeisterung für die vom Staat für ihn vorgesehene Arbeit gespürt. In einem Volkskunstzirkel lernt er den Maler Herbert Geheb kennen und studiert stattdessen von 1960 bis 1965 Grafik und Illustration an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Zusammen mit seiner Frau, der Textilkünstlerin Christel Seidel-Zaprasis ist er von da an freischaffend in Halle tätig und unterhält dort sogar zwischen 1971 bis 1991 mit Kollegen eine eigene Druckwerkstatt.
Trotz seines gefühlten Außenseiterstatus’ macht sich Fotis Zaprasis mit seiner von Selbstzweifeln und Sehnsüchten erzählende Kunst früh einen Namen, ist an offiziellen Grafik-Mappen beteiligt, steuert Illustrationen für Kinderbücher bei und liefert etwa ein Ballett-Bühnenbild für die Wiedereröffnung der Semperoper 1985.
Die Moritzburg Halle beherbergt zahlreiche seiner frühen Werke, doch eine museale Würdigung des 2003 verfrüht gestorbenen Künstlers steht bis heute aus. Dabei ist der Mann, der erst als längst erwachsener und profilierter Künstler wieder in seine Heimat reisen kann und stets nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten zwischen Realität und Imagination, zwischen heimatlicher Fremde und fremder Heimat sucht, ein Paradebeispiel dafür, dass das regulierte Kunstsystem der DDR niemals hermetisch abgeschlossen und durchaus mit der internationalen Szene verflochten war. So wie Fotis Zaprasis gab es mit der baskischen Malerin Nuria Quevedo, dem spanischen Künstler und Kulturpolitiker Josep Renau oder dem italienische Maler und Architekten Gabriele Mucchi mehrere Exilkünstler:innen, die schon in der damaligen sozialistischen Republik Erfahrungen wie das Entwurzeltsein in ihrer Kunst ansprechen - also Themen, die in der neueren postkolonialen Kunstgeschichtsschreibung und global art hoch virulent sind.
Text: Sylvie Kürsten
[1] Fotis Zaprasis in einem Interview im Künstler-Videoportrait 2002. https://www.okmq.de/tv/mediathek/kmp-schaufenster-der-hs-merseburg/kuenstlerportraets/287-kuenstlerportraet-zaprasis-fotis-2002
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