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Von Elbflorenz bis Florenz
Es ist vor allem der Lebensalltag der Frauen, der die Bildwelten von Christine Wahl bestimmt, immer wieder begegnen wir Situationen ihres Tätigseins – beispielsweise den Porträts der Arbeiter:innen des VEB Dresdner Süßwarenfabriken Elbflorenz oder Studentinnen. Durchaus mag diese Motivwahl auch biografisch begründet sein.
Christine Wahl, 1935 in Glashütte geboren, unterstützte nach 1945 die Mutter bei der Fortführung der Grabwerkstatt des im Zweiten Weltkrieg gefallenen Vaters. Von 1953 bis 1958 studierte sie Grafik an der Hochschule für Bildende Künste Dresden und lebt seit 1958 als freischaffende Künstlerin in Dresden-Blasewitz. In ihren Zeichnungen der 1960er-Jahre ist das Vorbild ihrer beiden Lehrer Hans Theo Richter und Max Schwimmer deutlich erkennbar – mit sicherem Strich setzt Christine Wahl ihre Motive und Situationen ins Bild, Bewegung und stille Konzentration zugleich vermittelnd.
Ihre erste Studienreise führte sie 1961 nach Schweden, weitere Arbeitsaufenthalte in Polen, Bulgarien und Umbrien folgten. In der Druckwerkstatt von Herbert Tucholski in Berlin und 1965 bei einem Lehrgang in der Druckwerkstatt des Verbandes Bildender Künstler der DDR in Dresden vertiefte sie ihre druckgrafischen Kenntnisse. Um nicht von staatlichen Aufträgen abhängig zu sein, unterbrach die Künstlerin von 1962 bis 1966 ihre künstlerische Selbstständigkeit, studierte an der Karl-Marx-Universität in Leipzig Anglistik und war als Dolmetscherin tätig.
Die Radierungen Gespräch (1970) und Studenten (1975) sind vermutlich als Reminiszenz an ihre Studienzeit zu lesen. Zugleich künden diese Grafiken von Christine Wahls künstlerischer Emanzipation und der selbstbewussten Entwicklung eines eigenen Formenvokabulars, das die feste Linie hinter sich lässt und den Strich ins bewegte Offene führt. Die vielfältigen Blätter dominiert nun ein dynamisches Liniengespinst, aus dem sie ihre Figuren und Sujets herausarbeitet und grafisch in Aktion treten lässt. Stillleben und Landschaften ergänzen ihre Motivik, Frauenfiguren erobern sich auf dem Blatt den öffentlichen Raum, werden in Landschaften platziert oder mit Stadtansichten kombiniert.
Nahezu expressionistisch anmutende Werke, Zeichnungen und Aquarelle, vor allem in einer Bandbreite verschiedener grafischer Techniken entstanden in der Folge: von den kräftigen Holzschnitten der 1970er-Jahre bis zu jüngsten, teilweise kolorierten Radierungen, in denen sie eindrückliche Ansichten ihrer zahlreichen Reisen und ihrer Lebenswelt festhält.
Bis 1990 war Christine Wahl Mitglied des Verbandes der Bildenden Künstler der DDR, später Mitglied des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler und des Sächsischen Künstlerbundes. Ihre Werke waren und sind in zahlreichen Ausstellungen und vielen öffentlichen Sammlungen vertreten.
Text: Anke Paula Böttcher
Hinter diesen Begriffen verbergen sich viele weitere Werke