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Ein Rest Unfassbarkeit
Werner Stötzer, geboren 1931 im thüringischen Sonneberg, gestorben 2010 in Altlangsow bei Seelow im Oderbruch war Ostdeutschlands beliebtester Bildhauer. Er prägte die Bildhauerei im deutschen Osten in universaler Weise, weitab vom Dogma des „Sozialistischen Realismus“ und als Lehrer einer jungen Bildhauer-Generation. Und doch war er ein Solitär. In seinen Skulpturen wie in seinen meisterhaften knappen Zeichnungen bleibt ein Rest Unfassbarkeit.
Studiert hatte er an den Kunsthochschulen Weimar und Dresden, dann in Berlin bei Gustav Seitz. 1978 wurde er Mitglied der Akademie der Künste, von 1990 bis 1992 war er deren Vizepräsident und Lehrmeister für junge Bildhauer. Er wurde geehrt u.a. mit dem Käthe-Kollwitz-Preis, dem Nationalpreis, dem Brandenburgischen Kunstpreis. Seine Blöcke haben nicht das Lächeln antiker Skulpturen. Für ihn hatte jeder Stein ein Gesetz, dem ein guter Bildhauer folgen müsse. Da berief er sich auf das Existenzielle bei Michelangelo, Giacometti und Henry Moore. Werner Stötzers Skulpturen-Oberflächen tragen die Spuren der kurzen, gezielten Schläge des Meißels – von außen nach innen und immer rundherum. Welchen Stein auch immer er in seinem Leben bearbeitete, es wurde ein Torso. Er schlug die fragmentarische Körperform heraus aus gelblichem sächsischen Sandstein, aus grauem bulgarischen Marmor und aus dem schimmernd weißen norditalienischen Carrara. Und nie verleugnet so eine Figur den Block, in dem sie noch halb ruht. Stötzers Spur der Steine zieht sich durch Museen – etliche hat die Neue Nationalgalerie – durch Parks, über Kirchplätze in Berlin und Brandenburg – von da in den Norden, nach Warnemünde, an die Mole, wo eine sandsteinerne Penelope auf Odysseus wartet. Als Denkmal für die Frauen der auf See gebliebenen Schiffer.
Seine Werke heißen „Wegzeichen“, „Märkische Steine“, „Engel mit gebrochenem Flügel oder haben nur karge Bezeichnungen wie „Sitzende“, „Stehende“, „Liegende“, auch Flussnamen wie „Werra“ und „Saale“. Für den Würzburger Domplatz schlug der Atheist eine Pieta aus dem Stein. Und das Marx-Engels-Forum an der Spree in Berlin-Mitte flankiert sein Figuren-Relief, eine Referenz an den Pergamon-Götter-und-Giganten-Fries auf der nahen Museumsinsel.
Für Stötzer waren Skulpturen und die aus dem Papier wie herauswachsenden spröden Linien seiner Gestalt-Zeichnungen gleichsam Körperlandschaften. Ins Papier wie hineingeprägte Zeichen zwischen Schönheit und Katastrophe. Diese Zeichnungen, die Steine - nicht zuletzt seine Gedichte und Prosa-Texte – sind nun postume Botschafter einer Kunst, die weder Zeit noch Mode kennt. Und jede Form, die drei- und die zweidimensionale, mündet ins Fragment, das lag an der Erfahrung der Kriegs-Trümmer von 1945.
Text: Ingeborg Ruthe
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